Was ist eine Studie, was ein Paper?
Zwei Begriffe, die häufig gleichgesetzt werden aber in der Wissenschaft unterschiedliche Bedeutungen haben. Im Folgenden ein kurzer Überblick über den Begriffs-Jungle und warum die Unterscheidung wichtig ist, um Forschungsergebnisse richtig einzuordnen.

„Eine neue Studie hat gezeigt, dass…“

Den Satzanfang schon mal gehört oder gelesen?
Ich persönlich werde immer sehr hellhörig, wenn ich ihm begegne. Zum einen, weil mich natürlich die neuen Erkenntnissen interessieren. Zum anderen aber, weil ich neugierig bin, ob es sich bei besagter Studie überhaupt um eine Studie handelt.

Es ist manchmal faszinierend, was einem auf Social Media Plattformen und gelegentlich auch in Zeitschriften alles als Studie präsentiert wird. Zumindest handelt es sich dabei meistens tatsächlich um eine wissenschaftliche Publikation (kurz gerne oft „Paper“ genannt).

Die Begriffe Paper und Studie werden gerne fälschlicherweise synonym benutzt. Zwar werden alle (ordentlichen) Studien als Paper veröffentlicht, aber nicht jedes Paper behandelt eine Studie.

Ich hatte ohnehin vor einen Beitrag darüber zu schreiben, aus welchen Quellen ich die Informationen für meine Blogposts und Artikel ziehe, da mir Transparenz wichtig ist. Studien machen einen großen Teil dieser Quellen aus. Aber Studien sind bei weitem nicht das einzige Format, in dem in der Wissenschaft (seriöse) neue Erkenntnisse geteilt werden.

Ich möchte daher im Folgen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen:

  1. Erklären was eine Studie wirklich ausmacht.
  2. Erklären was ein Paper ist und welche Arten es davon gibt.

Was ist eine Studie?

Eine Studie ist ein konkretes Forschungsvorhaben, das nach wissenschaftlichen Methoden durchgeführt wurde.

Wissenschaftler*innen sammeln oder werten dafür nach klaren Methoden Daten aus, um eine bestimmte Frage zu beantworten.

Die Daten müssen dabei nicht zwingend von menschlichen Versuchsteilnehmern stammen. Tiere und Simulationen sind z.B. weitere mögliche Quellen. Auch wie die Daten erhoben werden kann unterschiedlich sein. Das Experiment ist dabei der Königsweg, der den meisten Leuten auch als erstes in den Sinn kommt. Es gibt aber noch zahlreiche andere Methoden:

Beispiele:

  • Beobachtungsstudien (Systematische Beobachtung ohne Eingriff in den Ablauf)
  • Fall-Kontroll-Studien (Vergleich von Gruppen mit und ohne bestimmte Merkmale)
  • Querschnittsstudien (Momentaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt)
  • Längsschnittstudien (Untersuchung über längere Zeiträume hinweg)

Wichtig ist, dass die Daten systematisch gewonnen und ausgewertet werden.

Damit die Ergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar sind, werden Studien nach einem standardisierten Ablauf durchgeführt. Dadurch werden verschiedene Untersuchungen vergleichbar und ermöglichen es andere Forschende sie nachprüfen können.

Der Typische Ablauf beinhaltet die folgenden Schritte:

  • 1) Forschungsfrage formulieren: 
    D.h. eine konkrete Frage, die die Studie beantworten soll. 
    • Beispiel: „Verringert Training zu typischen Manipulationstechniken in Nachrichten die Anfälligkeit für Fake News?““

  • 2) Literaturrecherche: 
    Sammeln von Informationen und prüfen des aktuelle Wissensstands: Welche Ergebnisse liegen bereits vor? Wo gibt es noch offene Fragen?
    • Beispiel: Frühere Studien zeigen, dass kritischem Denkvermögen vor Desinformation schützt, aber unklar ist, ob sich das gezielt trainieren lässt.

  • 3) Methodik wählen: 
    Wählen einer Untersuchungsmethode, die geeignet ist um die Frage zu beantworten. Je nach Fragestellung kann das z.B. ein Experiment, eine Umfrage, eine Beobachtungsstudie oder auch eine klinische Studie sein.
    • Beispiel: In einem experimentellen Setting wird eine Gruppe über Manipulationstechniken informiert, eine andere nicht. Danach bewerten beide, wie glaubwürdig sie verschiedene Meldungen finden.

  • 4) Datenerhebung: 
    Durchführung der geplanten Untersuchungen: Befragungen, Messungen, Beobachtungen oder Experimente.
    • Beispiel: Beide Gruppen beurteilen eine Reihe echter und erfundener Nachrichten und geben in Fragebögen an, wie glaubwürdig sie diese einschätzen.

  • 5) Datenanalyse und Interpretation: 
    Auswertung der gesammelten Daten. Mit den Ergebnissen wird die am Anfang formulierte Frage beantwortet.
    • Beispiel: Die Analyse zeigt, dass die Trainingsgruppe deutlich seltener auf Fake News hereinfällt als die Vergleichsgruppe.

  • 6) Präsentation der Ergebnisse: 
    Veröffentlichung der Ergebnisse – meist als Paper in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, manchmal auch in Fachbüchern.
    • Bekannte Beispiele sind Fachzeitschriften wie Nature oder Science.

Übrigens:

Eine Studie muss nicht immer eine neue Frage bearbeiten. Es gibt auch sogenannte Replikationsstudien. Dabei wird eine bereits durchgeführte Untersuchung exakt wiederholt, um zu prüfen, ob die gleichen Ergebnisse herauskommen, wenn andere Forschende den Versuchsaufbau nachstellen.

Was ist ein Paper?

Ein Paper ist ein wissenschaftlicher Artikel, der in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wird. Es ist eine Form, wissenschaftliche Ergebnisse zu publizieren (= veröffentlichen) – und zugleich das wichtigste Medium, um neues Wissen in der Forschung zu teilen und weiterzugeben.

Paper gibt es in unterschiedlichen Varianten, je nachdem, welcher Inhalt darin veröffentlicht wird. Da sie meine Hauptbezugsquelle für so ziemlich alles sind, was ich hier in die Weiten des Internets posaune, möchte ich auf diese Unterarten etwas genauer eingehen:

  • Original Research (Primärforschung)
    Stellt eine eigene empirische Studie vor – mit Forschungsfrage, Methode, Ergebnissen und Diskussion.
    • Beispiel: Eine Untersuchung prüft, ob tägliche Achtsamkeitsmeditation das Wohlbefinden von Studierenden steigert.

  • Review (narrativ oder systematisch)
    Ein Review fasst den bisherigen Forschungsstand zu einem Thema zusammen und ordnet die Ergebnisse ein. Er beantwortet keine neue Forschungsfrage, sondern gibt einen Überblick welche Ergebnisse es bereits gibt, ohne diese rechnerisch zu einem Gesamtergebnis zusammenzuführen. Narrative Reviews sind breiter und weniger formal; systematische Reviews folgen festen Such- und Auswahlkriterien.
    • Beispiel: Ein Review beschreibt, dass 20 Studien positive Effekte von Meditation auf Wohlbefinden gefunden haben, 5 Studien gemischte Befunde berichten und 3 Studien keinen Effekt zeigen.

  • Metaanalyse
    Eine Metaanalyse geht einen Schritt weiter: Sie nimmt die Zahlen aus vielen Studien und berechnet den durchschnittlichen Effekt. Statt jede Untersuchung einzeln zu betrachten, werden die Daten kombiniert, um ein klareres Gesamtbild zu erhalten. Zusätzlich prüft sie Unterschiede zwischen den Studien (Heterogenität) und mögliche Publikationsverzerrungen – also ob z. B. Studien mit „unerwünschten“ Ergebnissen seltener veröffentlicht werden. Methodisch ist eine Metaanalyse selbst eine Studie, allerdings auf Grundlage bereits veröffentlichter Daten.
    • Beispiel: Eine Metaanalyse kombiniert die Daten von 30 Studien und zeigt, dass Meditation das Wohlbefinden im Durchschnitt um einen kleinen bis mittleren Effekt verbessert.

  • Fallanalyse (Case Study)
    Eine detaillierte Beschreibung einzelner Fälle oder spezieller Situationen, oft aus der Praxis.
    • Beispiel: Eine Analyse schildert den Verlauf einer seltenen psychischen Erkrankung bei einer bestimmten Patientin

  • Theorieartikel
    Hier wird eine neue Theorie oder ein Modell vorgestellt – oder eine bestehende Theorie kritisch diskutiert und weiterentwickelt.
    • Beispiel: Ein Modell wird vorgeschlagen, das erklärt, wie Achtsamkeit auf neuronaler Ebene zur Stressregulation beiträgt.

  • Methodenartikel
    In diesen Papers wird eine neue Methode, ein Messinstrument oder ein Analyseverfahren vorgestellt.
    • Beispiel: Ein Paper beschreibt und testet einen Fragebogen, mit dem Achtsamkeit zuverlässig erfasst werden kann.

  • Conference Paper
    Beiträge, die auf wissenschaftlichen Konferenzen präsentiert wurden. Sie sind oft kürzer und geben erste Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte und dienen der Diskussion in der Fachcommunity.
    • Beispiel: Ein Beitrag berichtet über erste Zwischenergebnisse einer noch laufenden Meditationsstudie.

Paper sind, wie gesagt auch meine Hauptinformationsquelle für alles was ich hier schreibe und veröffentliche. Insbesondere Reviews und Metaanalysen möchte ich an dieser Stelle meine uneingeschränkte Wertschätzung aussprechen. Eine gute und aktuelle Metaanalyse zu finden, löst bei mir ähnliche Glücksgefühle aus, wie ein 6er im Lotto. (wobei ich bei letzterem leider nicht aus Erfahrung sprechen kann).

Wie bereits erwähnt, sind Paper nur eine Möglichkeit wissenschaftliche Erkenntnisse zu veröffentlichen. Es gibt auch noch andere Publikationsarten

Weitere Publikationstypen

Bücher und Monographien
Längere Fachbücher, in denen ein Thema ausführlich behandelt wird.

Dissertationen und Habilitationen
Längere wissenschaftliche Abschlussarbeiten, die zur Erlangung eines Doktorgrades oder einer Lehrbefähigung geschrieben werden.

Forschungsberichte
Schriftliche Dokumentation der Ergebnisse abgeschlossener Forschungsprojekte, oft von Instituten oder im Auftrag von Organisationen und Ministerien.

Konferenzbeiträge
Kurztexte oder Vorträge, die auf wissenschaftlichen Tagungen vorgestellt und manchmal in Sammelbänden veröffentlicht werden.

Datenpublikationen
Veröffentlichungen, bei denen Forschende ihre gesammelten Daten (Rohdaten) öffentlich zugänglich machen und beschreiben.

Beispiel: Ein Forschungsteam stellt die Rohdaten einer Umfrage zu Stress am Arbeitsplatz online bereit, damit andere Wissenschaftler sie ebenfalls auswerten können.

Fazit:

Wörtlich bedeutet „Paper“ einfach: wissenschaftlicher Fachartikel in einer Zeitschrift. Es handelt sich also um ein Publikationsformat, keine Forschungsart

Eine Studie dagegen ist ein konkretes Forschungsvorhaben, das nach wissenschaftlichen Methoden durchgeführt wurde. Dabei müssen nicht zwingend Probandinnen und Probanden beteiligt sein – auch Archivanalysen, Simulationen, Inhaltsanalysen oder Tierexperimente zählen als Studien.

Kurz gesagt:

  • Viele Studien werden in Form eines Papers veröffentlicht.
  • Nicht jedes Paper enthält eine Studie.

Warum ist die Unterscheidung wichtig?

Ist das nicht am Ende einfach nur kleinkariere Klugscheisserei?

Im praktischen Alltag vielleicht schon. Aber es ist berechtigte Klugscheisserei. Denn wenn in Medien oder sozialen Netzwerken die Begriffe durcheinandergeworfen werden, verzerrt das schnell den Eindruck, wie belastbar Forschungsergebnisse wirklich sind. Studien erzeugen Daten, Papers transportieren sie. Ein Review oder Theorieartikel liefert keine neuen Daten, wird aber manchmal so dargestellt, als wäre es eine eigene Studie. Das kann Erwartungen schüren oder Fehlinterpretationen begünstigen – besonders bei sensiblen Themen wie Gesundheit, Ernährung oder Psychologie.

Take Home Message:

Paper sind das Gefäß, Studien der Inhalt – es macht einen Unterschied, ob man über den Becher oder den Kaffee spricht.


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Quellen:

https://www.alumniportal-deutschland.org/de/magazin/wissenschaft-forschung/glossar/paper

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